Ich spüre was, was du nicht spürst…
„Sie sind mit an Gewissheit grenzender Sicherheit hochsensibel.“ – Und da ergibt plötzlich so vieles Sinn für mich…
Aber fangen wir von vorne an. Als ich anfing, mich mit Persönlichkeitsmerkmalen zu befassen, habe ich auch mal etwas über Hochsensibilität gelesen, aber nicht wirklich weiter verfolgt.
Mich haben schon immer Stimmungen anderer Menschen außergewöhnlich stark beeinflusst. Ich sauge sie quasi direkt in mich auf. Und umgekehrt genauso: Negative Menschen saugen die Freude aus mir heraus, so wie die Dementoren bei Harry Potter…
Genau das habe ich im letzten Jahr erlebt. Nachdem ich bereits seit fast zwei Jahren damit beschäftigt war, mir ein positives Mindset aufzubauen. Ich war auch der Meinung, dass das richtig gut geklappt hatte und ich weniger anfällig für schlechte Laune und Negativität war. Doch im letzten Herbst war ich einige Zeit mit Negativität konfrontiert und habe gemerkt, dass meine Gedanken immer dunkler wurden, ich mich mehr und mehr zurückgezogen habe und außer arbeiten und schlafen wenig gemacht habe. Ich wusste zu dem Zeitpunkt nicht, dass es an der Negativität um mich herum liegt. Das habe ich erst einige Monate später bemerkt. Insbesondere ist es mir bewusst geworden, als ich herausgefunden habe, dass ich hochsensibel bin.
Hochsensibel? Was genau ist das?
Hochempfindlich, hypersensibel diese Worte beschreiben besondere Empfindlichkeiten für sämtliche Reize – positive wie negative. Hochsensible Menschen nehmen viele Reize sehr viel intensiver wahr und verarbeiten sie dementsprechend auch intensiver. Die Umwelt wird auf verschiedenen Ebenen mit allen Sinnen intensiv wahrgenommen. Im Übrigen ist das keine Krankheit, sondern kennzeichnet eine Charaktereigenschaft.
Wie sich Hochsensibilität bei mir äußert:
Schon als Kind habe ich mich immer sehr nah am Wasser gebaut gefühlt. Ich habe schnell geweint, war sensibel und vielleicht auch manchmal sehr in mich gekehrt. Dafür konnte ich stundenlang alleine im Sandkasten Sandkuchen backen oder Sandschlösser bauen. Sätze wie „Stell dich nicht so an!“ oder „Du musst dir ein dickeres Fell zulegen!“ sind mir oft begegnet.
Nach einem Tag im Shopping-Center schlafe ich meistens sofort ein, sobald ich im Auto sitze, während alle anderen noch ausgelassen und voller Energie sind.
Ein Sonnenuntergang ist so ziemlich das aufregendste und aufwühlendste Ereignis für mein Innenleben. Wenn der Himmel schöne Farben hat, dann treibt mir das nicht selten Tränen in die Augen oder beschert mir eine heftige Gänsehaut. Mich berührt das so tief und stark und das jeden Tag aufs Neue.
In einem Raum voller Menschen kann ich mich kaum auf einen Gesprächspartner konzentrieren, weil ich so viele Schwingungen und Gefühle wahrnehme. Ganz zu schweigen von den vielen Stimmen, die ich alle gleich intensiv wahrnehme.
Blicke, Gesichtsausdrücke, Stimmfarben … all das nehme ich wahr und verarbeite es, analysiere es und schlussfolgere alles mögliche daraus. Ich erinnere mich an Worte, die mal zu mir gesagt wurden, um mich zu verletzen. Ich habe aber auch all die Worte verinnerlicht, die besonders lieb gemeint waren und mir geschmeichelt haben.
Zwischenmenschliche Schwingungen … in der Regel merke ich sofort, wer auf wen steht oder wer an wem interessiert ist oder wer mit wem ein Problem hat. Genauso merke ich natürlich auch, wer etwas für mich übrig hat.
Ich rieche meinen Lieblingsduft, sehe meine Lieblingsfarbe, entdecke beim Spazieren ein Reh auf dem Feld oder ein Vogel fliegt an meinem Fenster vorbei – und schon bin ich der glücklichste Mensch der Welt. Und dass nur dadurch, dass ich etwas sehe, rieche oder höre.
Manchmal verliere ich mich in Tagträumen. Meine Fantasie ist dann so stark, dass ich einfach so dasitze und träume …
Ich höre Musik und fühle ein Lied mit jeder Faser meines Körpers. Häufig kommen mir Tränen und ich fühle mich einfach überwältigt von den Klängen und Melodien.
Die Sonne scheint und ich bin sehr fröhlich – es regnet und draußen ist es grau? Dann sind auch meine Gedanken grau und meine Energie ist auf einem niedrigen Level – an diesen Tagen benötige ich sehr viel Kaffee.
Dadurch ist meine Laune manchmal ein bisschen zu drüber für andere.
Außerdem bin ich sehr empfänglich für Spiritualität und sehe irgendwie immer „das große Ganze“. Ich habe häufig sehr tiefe Gedanken, die ich gar nicht genau beschreiben kann, teile sie auch nicht, weil ich das Gefühl habe, dass es niemand nachvollziehen kann.
Geräusche, vorzugsweise Lärm von Nachbarn, die über mir vielleicht einfach nur ganz normal über den Boden gehen – das ist für mich manchmal so unerträglich, dass ich Ohropax benutzen muss, weil ich sonst Aggressionen bekomme.
Das ist die Kurzfassung von all dem, was so in mir los. Ich dachte tatsächlich immer, dass es jedem Menschen so gehen würde…
Ganz unbewusst habe ich es mir aber angewöhnt, meine intensive Wahrnehmung auf die positiven Dinge auszurichten. Und wenn ich merke, dass es mir zu viel wird, ich zu viel zu verarbeiten habe, dann tue ich Dinge, die mich wieder bei mir selbst ankommen lassen. Ich höre Musik, gehe spazieren oder ich schreibe. Tatsächlich habe ich gemerkt, dass Schreiben für mich ganz stark auch Verarbeitung ist. So wie jetzt gerade. Es bedeutet für mich quality-time in und mit mir selbst zu verbringen. Manchmal ist meine Fantasie so lebhaft und bunt, dass ich Geschichten schreibe (die ich bisher noch nie irgendwo veröffentlicht habe). Seit ein paar Wochen meditiere ich morgens und abends. Ich merke, dass mir das ebenfalls hilft, runterzukommen und meine Gedanken zu sortieren.