Camino Portugues,  Jakobsweg Blog

Etappe 6: Viva Espana! Was tun, wenn die Herberge voll ist…

Der Morgen des Abschieds war gekommen. Gegen Mitternacht bin ich eingeschlafen und nicht so ganz erholt aufgewacht (könnte am Sangria gelegen haben). Ich war als erste im Bad und machte mich danach auf die Suche nach der Hostel-Küche, um mir mein Frühstück zuzubereiten. Dort traf ich Ralph. Er sagte mir, dass er sich für eine Route entschieden hatte. Er wollte gemeinsam mit Alice und mir den Küstenweg weiter gehen. Ich freute mich sehr darüber, denn ich hatte das Gefühl, in ihm einen wichtigen Menschen gefunden zu haben. Nachdem wir alle fertig waren und gefrühstückt hatten, ging der Wandertag los. Vor dem Hostel umarmten wir Nici und Sabina und verabschiedeten uns schweren Herzens. Ein komisches Gefühl, wenn man nicht weiß, ob man die liebgewonnenen Freundinnen je wiedersieht. Die Wege trennten sich also. Wir mussten in Richtung Hafen gehen und die anderen beiden hatten eine Etappe entlang des Rio Minho bis zur Stadt Valenca vor sich. Kleiner Fun Fact: Pilger können sich auch ein Kajak mieten und damit über den Rio bis zur Stadt paddeln! Kein Witz! Den Verleih haben wir sogar unterwegs gesehen.
Wir mussten eines der Taxi-Boote nehmen, um zum anderen Ufer zu kommen, da die Fähre aufgrund des Wasserstandes erst gegen Mittag fahren konnte. In einem Kiosk am Hafen kauften wir uns Tickets. Die nächste Abfahrt war in 10 Minuten und das Boot konnte fünf Passagiere mitnehmen. Ehm okay… fragst du dich gerade auch, was das für ein Boot ist, das nur fünf Leute mitnehmen kann? Ja, das haben wir uns nämlich auch gefragt und bekamen ein wenig Schiss. Wir warteten also auf unseren „Kapitän“ alias Taxifahrer und es gesellten sich weitere Pilger zu uns. Insgesamt wären wir dann einer zu viel gewesen. Der „Kapitän“ kam und verharrte darauf, höchstens fünf mitnehmen zu können und sagte den später dazugekommenen, dass sie auf die nächste Fahrt warten sollten. Ein Pilger aus Schottland fand sich damit nicht ab und folgte uns. Wir erreichten das Taxi-Boot, dass uns in einer 5-minütigen Fahrt zum spanischen Ufer bringen sollte und ich erinnere mich an Ralphs Kommentar als wir das Boot sahen: “So, this is, what it is…“ Es gab keine „Sitze“ in diesem Boot und festhalten konnte man sich auch nirgends. Wir setzten uns zu dritt auf die Vorderseite des Bootes und der Schotte musste auf einer Art Kiste sitzen. Nach Spaß sah dieses Boot irgendwie nicht aus und mehr als fünf Leute würden hier niemals drauf passen. Der „Kapitän“ warnte uns, dass es kalt sein würde während der Fahrt und bat uns Frauen seine Jacke an, was wir jedoch dankend verneinten. Wir steuerten aus dem Hafen und schnell erreichte das Boot die Höchstgeschwindigkeit. Durch den Wind tränten meine Augen und das portugiesische Ufer entfernte sich immer mehr.

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Nach kurzer Zeit verringerte sich die Geschwindigkeit wieder und wir erreichten den spanischen Hafen. Wir kletterten aus dem Boot hinaus über eine Leiter und betraten spanischen Boden. Irgendwie fühlte es sich merkwürdig und illegal an, über eine Leiter aus einem Boot zu klettern und dann über das Hafengelände zu gehen. Es war aber keine Menschenseele hier, also egal. Nach einer kurzen Orientierung erblickten wir den ersten Kilometerstein! Denn auf dem spanischen Jakobsweg standen in unregelmäßigen Abständen Steine mit den verbleibenden Kilometern bis Santiago. Nach kurzer Freude über den Stein merkten wir, dass es heute wohl ein heißer Tag werden würde. Denn schon jetzt am Morgen, begannen wir zu schwitzen. Wir trugen ja auch lange Kleidung aufgrund der Bootsfahrt. Und noch eine Sache änderte sich: Die Uhrzeit. In Spanien mussten wir die Uhr eine Stunde vorstellen. Wir überquerten eine Grenze und verloren eine Stunde.
Eine Dame mit einem Hund kam uns entgegen und wir erfragten den Weg zum nächsten Café. Zum Glück waren die anderen beiden ähnlich Kaffeesüchtig wie ich. Dort tranken wir in Ruhe einen Kaffee und wechselten die Kleidung. Praktischerweise war das Café auch gleichzeitig ein Supermarkt, sodass wir ein wenig Proviant kauften.

Gestärkt ging es dann los auf die heutige Etappe. Bis zur Herberge in Mougas waren es 25 Kilometer. Und der Weg begrüßte uns mit einem „schönen“ Anstieg. Alice war wirklich eine extrem schnelle Pilgerin, denn sie hatte ein Wahnsinns Tempo drauf. Also gingen Ralph und ich zusammen. Ich beschäftigte mich heute viel mit ihm, weil mich seine Geschichte sehr interessierte. Der Weg führte aufwärts durch Wälder, bis wir eine Stadt erreichten und auf einen riesigen Flohmarkt kamen. So viele Menschen auf einem Haufen hatte ich zuletzt in Porto gesehen. Ralphs Hut immer im Blick, folgte ich ihm durchs Getümmel. Die Flohmarktstände sahen sehr interessant aus, aber leider konnte ich nichts kaufen. Wo und wie sollte ich es transportieren…

Nach dem Trubel kamen wir endlich wieder am Meer an. Die Landschaft war wieder wunderschön. Wir gingen so vor uns hin und plötzlich kam uns ein Mann entgegen, der fragte, ob wir uns verlaufen hatten. Wir verneinten, doch dann sagte er, dass der Weg in einigen Metern endete. Und tatsächlich! Wir hatten einen Pfeil übersehen. Also Kommando zurück zum Pfeil … Der Pfeil zeigte nach rechts oben. Wieder bergauf. Wir quälten uns hoch und kamen an einer Schnellstraße heraus. Auf Asphalt gehen gefällt mir nicht. Ich bevorzuge weicheren Boden und vor allem eine schönere Aussicht. Diese Meinung hatte ich mir als Neu-Pilgerin schon gebildet. Einige Autos fuhren laut hupend an uns vorbei. Am Anfang war das noch lustig, aber zuletzt nur noch nervig.

Schließlich ging es wieder in Richtung Küste und da tauchte eine Art Verkaufs-Pavillon auf und wir machten eine Pause. Auch wenn wir Hunger hatten, bestellten wir hier nur ein kühles Getränk, denn auf dem Essen saßen unzählige Fliegen. Neben dem Zelt war ein Spielplatz und ich suchte mir direkt die Schaukel aus.
Wir erreichten eine sehr schöne Stadt namens Oia und wählten ein Restaurant für das Mittagessen aus. Zum ersten Mal gab es Hühnchen beim Pilgermenü. Ich wählte es aus und muss sagen, dass es herrlich schmeckte und überhaupt nicht totgebraten war. Wie glücklich man durch so ein simples Essen werden kann!
Am Nebentisch saß ein Ehepaar und sie hatten den schönsten Hund der Welt dabei. Ich musste ihn die ganze Zeit ansehen und konnte mich nur schwer beherrschen, ihn nicht zu streicheln. Ich hätte wirklich sehr gerne einen Hund und dieser kleine Racker sollte mich auf dem Weg noch oft beschäftigen.


Gestärkt ging es weiter, an einer sehr schönen Küstenstrecke entlang. Alice war wieder auf und davon, sodass Ralph und ich gemeinsam gingen. Nach einiger Zeit passierten wir eine Art Coffee Bike und kauften uns noch ein leckeres kaltes Getränk. Heute war wirklich der heißeste Tag bisher. Aber ich muss sagen, trotz der Hitze war ich von Grund auf zufrieden. Die Musik auf meinen Ohren leistete einen erheblichen Beitrag dazu. Denn heute war mir nach feinstem 90s Swag mit Spice Girls, Backstreet Boys und Vengaboys. Zwischendrin legte ich immer mal wieder Tanzeinlagen ein und Ralph, der einige Meter hinter mir ging, schaute etwas verwirrt. Vielleicht war mein Gehirn aber auch von der Sonne aufgeweicht, denn auf die Idee, bei der Hitze meine Cappy aufzusetzen, kam ich erst sehr spät.


Komischerweise sahen wir unterwegs fast keine Pilger. Waren wir besonders früh? Da es schon später Nachmittag war, konnte dies eigentlich nicht der Fall sein. Wir mussten also eher spät dran gewesen sein. Tatsächlich bestätigte sich dies bei der Ankunft in der Herberge. Mein eigentlicher Albtraum wurde wahr. Die Herberge war voll. Wir gingen wieder hinaus und mussten wohl oder übel den Weg fortsetzen. Viele bekannte Pilger-Gesichter schauten uns mitleidig an, da wir nicht so ganz leichtfüßig weitergingen. Diese Situation hatte ich zwar immer befürchtet, aber jetzt, da ich in der Situation war, fand ich es gar nicht mehr schlimm. Ich verspürte wieder das Vertrauen in mir, dass wir irgendwo unterkommen werden. Eine schnelle Google Recherche ergab, dass es in wenigen Kilometern einen Campingplatz gab. Da wollten wir es versuchen. Dort angekommen folgte jedoch die Ernüchterung. Wir hätten uns zwar einen Bungalow mieten können, doch kostete es knapp 100€. Das war dann doch etwas zu viel und wir gingen wieder weiter. Alice war schon recht angefressen. Indirekt machte sie uns den Vorwurf, dass wir ja selbst schuld seien, dass die Herberge voll war, weil wir nicht so schnell wie sie gegangen waren. Ohne Ziel und mit nicht so guter Laune gingen wir also weiter an einer Hauptstraße entlang und fanden uns schon fast damit ab, am Strand zu schlafen. Da tauchte plötzlich ein großer Komplex auf der rechten Straßenseite auf. Ein Hotel!! Da würden wir nach Zimmern fragen! Eine sehr nette Mitarbeiterin empfing uns und sagte, dass sie sogar noch ein Apartment für drei Personen frei hatte. Wir bejahten ungesehen und warteten auf den Chef, damit wir einchecken konnten. Der Chef war ein mittelalter Hippie-Mann, der sehr nett war. Neben seiner Zimmervermietung bemalte er auch Jakobsmuscheln und stellte andere Dekoration her. Wir checkten in das Apartment ein und wählten unsere Betten aus. Alice und ich teilten uns ein Zimmer und ein weiteres Bett stand in der Küche. (Kein Witz) Die Anmietung des Apartments berechtigte übrigens auch zur Nutzung des Hotel-Pools!!!
Da wir hier irgendwo im Nirgendwo waren und die Küche leider mit keinerlei Equipment ausgetattet war, mussten wir für einen Einkauf zurück zum Campingplatz gehen, den dort war der einzige Supermarkt. Essen gab es dort leider nicht, also kauften wir Alkohol. Danach wechselten wir schnell in Bade-Klotten und freuten uns auf den Pool. Klar, so wirklich neu war in diesem Komplex nichts, aber wir waren zufrieden, schnappten uns Liegen und genossen die Sonne. Die 1,5 Liter Sangria Flasche hatten Ralph und ich für uns. Zum ersten Mal konnte ich den Outdoor-Becher benutzen, der sonst in meinem Rucksack nur unnötiger Ballast war!
Ralph legte sich auf seine Liege, bis es irgendwann laut krachte. Die Liege war einfach komplett eingebrochen und in unzählige Teile zerfallen! Ich musste so hart lachen und war gleichzeitlich so glücklich über die gesamte Situation! Dass die Herberge voll war, war das Beste, was uns hätte passieren können! Und tief in mir drin wusste ich, dass heute alles gut werden würde. Vom Sangria gewärmt traute ich mich auch ins kalte Poolwasser. Es fühlte sich an, wie Urlaub und ich hätte wirklich nicht glücklicher sein können.

Als die Sonne langsam unterging, duschten wir uns und hatten Abendessen im Hotelrestaurant. Danach verabschiedete sich Alice ins Bett und Ralph und ich beschlossen noch einen Film zu schauen. Ralph pilgerte nämlich mit einer ordentlichen technischen Ausrüstung. Kindle, Ipad, Laptop… Praktisch, so konnten wir auf seinem Laptop den Film „The way“ schauen. Ein Film über den Jakobsweg. Darüber hatte schon Sabina am vergangenen Tag geredet, als wir alle in unserem Hostel-Zimmer saßen. Ein bisschen ähnlich ist die Geschichte des Films nämlich auch zu unserer Geschichte. (Hier ein absolutes shoutout an den Film! Der ist wirklich sehenswert! Heißt auf deutsch „Dein Weg“) Ich schaffte es ca. bis zur Hälfte des Films und dann fielen mir (bestimmt auch Sangria bedingt) die Augen zu und ich legte mich in mein Bett.

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